Wer sind die Verleger?
Bilder malen, Radierungen ätzen, sie kolorieren, das gehörte zu den Aufgaben der Künstler. Wer aber waren die Leute, welche grosse Buchprojekte in Gang setzten, sie finanzierten und sie in ganz Europa verkauften? Wir kennen diese heute unter der Berufsbezeichnung "Verleger" und wissen, dass sie für die Herstellung und Verbreitung der Bilder der Schweiz eine wichtige Rolle spielten – ganz besonders für die zu Büchern gebundenen Voyages pittoresques. Als Zuständige für deren gesamte Produktion sorgten sie nämlich für den Ankauf des Papiers, bestimmten den Drucker und Buchbinder und trieben die Künstler an, ihnen die gewünschten Ansichten samt den Druckplatten zu liefern. Damit nicht genug verhandelten sie auch mit Autoren für die abzudruckenden Reisebeschreibungen und kümmerten sich um den Verkauf der Werke. Lerne bedeutende Schweizer Verleger und Verlegerinnen kennen und erfahre, wie ihr vielfältiges Geschäft funktionierte!
Voyages pittoresques – Reisebücher für unterwegs und zuhause
Die von den Verlegern und Verlegerinnen verantworteten Voyages pittoresques wurden um 1800, als Ergänzung zu den kolorierten Einzelblättern der Schweizer Kleinmeister, immer beliebter. Für diese illustrierten Bücher wurden verschiedene Ansichten zu anschaulichen Reiserouten durch die Schweiz kombiniert und mit informativen Beschreibungen versehen. Voyages pittoresques sind damit ein Genre der frühen Reiseliteratur, ähnlich den Reiseführern, wie wir sie noch heute kennen. Je nach Format war die Nutzung von Voyages pittoresques unterschiedlich: Kleine und leichte Werke wurden unterwegs genutzt, grosse und besonders wertvolle Werke dienten dagegen zur Vorbereitung von bevorstehenden oder der Erinnerung an vergangene Reisen – ganz bequem von zuhause oder einer Bibliothek aus.
Ariane Devanthéry, Itinéraires guides de voyage et tourisme alpin, 1780–1920, Paris 2016, S. 53–54
Alles im Blick – Verleger als Koordinatoren
Die Herstellung einer Voyages pittoresque war ein Gemeinschaftswerk, an dem verschiedene Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten beteiligt waren. Die Hauptaufgabe von Verlegern und Verlegerinnen bestand deshalb darin, ihre Mitarbeitenden und deren Prozesse zu koordinieren. Aus diesem Grund war es auch wichtig, dass sie über gute Kontakte in die Kunst- und Gelehrtenszene sowie den Buchmarkt verfügten. So gelang es ihnen, geeignete Künstler, Drucker, Autoren und Händler für ihre Projekte zu gewinnen. In vielen Fällen lässt sich dank der Titelseite und des Impressums einer Voyage pittoresque herausfinden, wer an einem Projekt in welcher Funktion beteiligt gewesen war.
Antony Griffiths, The Print Before Photography. An Introduction to European Printmaking, 1550–1820, London 2016, S. 270

Basel als Verlagsstadt
Die Rheinstadt Basel war bereits um 1500 ein Zentrum für den Buchdruck und das Verlagswesen, wo Bücher bedeutender Autoren, illustriert von bekannten Kunstschaffenden, hergestellt und verkauft wurden. Das Verlagswesen profitierte dabei von der Nähe zu der 1460 gegründeten Universität und deren Nachfrage nach Büchern.
Um 1800 war Basel nicht nur für die Wissenschaften, sondern auch für die Schweiz-Reisenden ein geeigneter Ausgangspunkt. Diesen vorteilhaften Standort nutzte der Kupferstecher und Verleger Christian von Mechel (1737–1817), der in Basel eine bekannte Kunsthandlung mit Atelier führte. Mit Hilfe seiner Mitarbeitenden verlegte er zahlreiche Schweizer-Ansichten unter seinem Namen. In seinem Sortiment führte er jedoch auch Werke der bekanntesten Kleinmeister, zum Beispiel die gebundenen 12 Landschäftlein von Johann Ludwig Aberli (1723–1786). Auch Peter Birmann (1758–1844), der Zeichner und Verleger der Voyage pittoresque de Basle à Bienne par les Vallons de Mottiers-Grandval (1802), war in Basel tätig. In sein erfolgreiches Verlagsgeschäft und die Kunsthandlung traten ab 1817 auch seine Söhne Samuel und Wilhelm Birmann ein.
Lucas Heinrich Wüthrich, Die Schweizer Reisebeschreibungen aus dem Blickwinkel von Christian Mechel, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 75, H. 4 (2018), S. 253–264; Peter Oprecht; Silvio Corsini; François Vallotton; Carlo Agliati: "Verlage", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.03.2015 [26.01.2025]
Orell Füssli und Comp. – Verlag, Druckerei und Kunsthandel unter einem Dach
Zu den bedeutendsten Schweizer Verlagen, die Voyages pittoresques produzierten und vertrieben, gehört Orell Füssli und Comp. Das Zürcher Unternehmen ist vielen ein Begriff: Unter wechselnden Firmennamen war dieses eine wichtige Verlagsinstitution während der Zürcher Reformation, verlegte im 18. Jahrhundert wichtige Werke der Aufklärung und ist auch heute noch als einer der grössten Druckereibetriebe der Schweiz tätig. Die Druckerei gehörte von Beginn an zu Orell Füssli und Comp.: Dadurch konnten die eigenen Verlagswerke gleich selbst typographisch und bildlich gestaltet werden. Ausserdem bot das Unternehmen die Verlagswerke im eigenen Verkaufsgeschäft an.
Wie ein Verkaufskatalog von um 1820 aufzeigt, hatte Orell Füssli und Comp. auch im frühen 19. Jahrhundert einen guten Riecher für erfolgreiche Werke: Das Unternehmen verlegte einerseits die Voyages pittoresques aux Lacs de la Suisse von Johann Jakob Wetzel, verkaufte anderseits auch zahlreiche bekannte Werke anderer Verlage.
500 Jahre Drucken: Orell Füssli. Tradition und Innovation seit 1519, hrsg. von Orell Füssli Holding AG, Zürich 2019; Thomas Bürger, Aufklärung in Zürich. Die Verlagsbuchhandlung Orell, Gessner, Füssli & Comp. in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1997, S. 37–52; Paul Leemann-van Elck, Druck, Verlag, Buchhandel im Kanton Zürich. Von den Anfängen bis um 1850, Zürich 1950, S. 100-102

"Chez l’auteur" – Selbstverlag
Nicht immer wurde eine Voyage pittoresque von einem grossen Verlag wie Orell Füssli und Comp. publiziert. In vielen Fällen nahmen dies die Künstler selbst in die Hand: Der sogenannte Selbstverlag bot Künstlern den Vorteil, dass sie die Rechte an ihren Werken behielten und den gesamten Gewinn aus den Verkäufen in die eigene Tasche stecken konnten. Gleichzeitig trugen sie als Selbstverleger jedoch auch die Kosten für die Herstellung und die Verbreitung der Werke und gingen dadurch ein grösseres finanzielles Risiko ein. Wenn ein Werk im Selbstverlag des Künstlers publiziert wurde, ist dies manchmal auf dem Titelblatt mit der Bezeichnung "Chez l’auteur" vermerkt.
Helmut Hiller und Stephan Füssel, Selbstverlag, in: Wörterbuch des Buches, 7. Aufl., Frankfurt am Main 2006, S. 302

"Avec privilege" – Aberlis Privileg
Einer der ersten Selbstverleger von Schweizer-Ansichten war der Kleinmeister Johann Ludwig Aberli (1723–1786) aus Winterthur. In Bern gründete der ausgebildete Maler ein Atelier, wo er mit weiteren Mitarbeitenden Landschaftsansichten herstellte. Im Atelier wurde die von Aberli erfundene Technik der kolorierten Umrissradierung angewendet: Dieses Verfahren kombinierte eine gedruckte Radierung mit einer von Hand aufgetragenen Kolorierung mit Wasserfarben. Damit das Verfahren sowie seine Verlagswerke von anderen nicht kopiert werden konnten, beantragte Aberli bei der Stadt Bern 1766 und 1778 jeweils für 10 Jahre ein Privileg. Privilegien sind Urkunden, die in der Alten Eidgenossenschaft von Verlegern, Druckern und Handelsleuten genutzt wurden, um sich gegenüber der Konkurrenz Vorteile zu verschaffen. Mit mit der zunehmenden Handels- und Gewerbefreiheit ab der Helvetischen Republik verloren Privilegien im 19. Jahrhundert an Bedeutung.
Peter Oestmann, "Privilegien", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.12.2013 [05.02.2025]
Subskription
Die Anfertigung umfangreicher Voyages pittoresques dauerte nicht selten mehrere Jahre. Projekte von solch langer Dauer stellten für Verleger ein grosses Risiko dar: Wird es genug Kunden und Kundinnen geben, die das Werk kaufen wollen? Können die hohen Kosten gedeckt werden und die Kunstschaffenden bezahlt werden?
Um dieses finanzielle Risiko zu verkleinern, arbeiteten viele Verleger und Verlegerinnen mit dem Subskriptions-Modell: Im Vorfeld der Publikation bewarben sie das geplante Werk mit einem Prospekt, der die Preise festlegte. Zudem wurde darum gebeten, für das Werk zu subskribieren, das heisst, es – wie eine Zeitschrift – zu abonnieren. Subskribenten und Subskribentinnen erhielten dann in einem regelmässigen Rhythmus Lieferungen von einigen Ansichten, die sie bei Erhalt bezahlten. Am Ende liessen sich diese Bilder mit dem Begleittext zur vollständigen Voyage pittoresque zusammenbinden. Verleger konnten dadurch die benötigte Auflagenhöhe abschätzen und profitierten von regelmässigen Einnahmen. Auch Louis Bleuler (1792–1850), der im Schloss Laufen am Rheinfall einen Verlag und ein Atelier leitete, nutzte das Subskriptions-Modell für seine monumentale Voyage pittoresque aux bords du Rhin (1827–1842/1843).
Norbert W. Hasler, Die Rheinreise. Von den Quellen bis zur Mündung. Ein grafisches Meisterwerk von Louis Bleuler (1792–1850), in: Librarium. Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft, 2011, Bd. 54, H. 2-3, S. 132–147; Werner Rutishauser, Die Bleuler und der Rhein. Von majestätischen Gletschern, tosenden Katarakten und schauerlichen Burgen. Ausst.-Kat. Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen, 14. September – 30. November 1997, Schaffhausen 1997, S. 46-48
Verlegerinnen
Louis Bleuler gehört zu den bekanntesten Schweizer Verlegern von Voyages pittoresques, sein Rheinwerk wurde in ganz Europa bewundert. Dabei geht oft vergessen, dass seine Frau Antoinette Bleuler (1801–1873), geborene Trillié, das Verlagsgeschäft mit ihm gemeinsam leitete. Antoinette stammte aus Paris, sie sprach perfekt Französisch und trat als weltgewandte Frau auf. Daher war es neben ihrem Mann vor allem sie, die durch europäische Grossstädte reiste, um neue Kundschaft für das Rheinwerk der Bleulers zu gewinnen. Als Louis Bleuler 1850 starb, führte sie den Kunstverlag bis zu ihrem Tod 1873 eigenständig weiter.
Antoinette Bleuler war bei weitem nicht die einzige Verlegerin von Schweizer-Ansichten: So war beispielsweise Henriette-Louise de Meuron (1789–?), die Ehefrau von Gabriel Lory fils, für dessen Verlagsgeschäft verantwortlich und Franziska Möllinger (1817–1880), die erste Fotografin der Schweiz, verlegte ihre eigenen Ansichten in Solothurn.
Robert Pfaff, Die Bleuler Malschule auf Schloss Laufen am Rheinfall. Das Album "Malerische Reise rund um den Rheinfall", 2. Aufl., Neuhausen am Rhein 1986, S. 101-106
Kommissionäre
Verleger sammelten die Abonnements für eine Voyage pittoresque in einem Subskriptionsbuch oder einer Subskriptionsliste. Da trug die Kundschaft ihre Namen und Adressen ein – so gelang es, den Überblick über die Bestellungen zu behalten. Beim Anwerben von Abonnenten und Abonnentinnen sowie beim Zustellen der Lieferungen erhielten die Verleger zudem Unterstützung von Kommissionären: Dies waren meist Buch- oder Kunsthändler, die in den jeweiligen Städten im Auftrag der Verleger die Bilder auslieferten und die Bezahlung der Werke überprüften. Gerade die Bleulers bauten wegen ihrer weit verstreuten Kundschaft ein grosses Netzwerk von Kommissionären auf:
Sorge nur auch für einen soliden thätigen Commissionaire in Berlin, damit alles in Zukunft dort gehörig besorgt wird. Hoffentlich wird es Dir gelingen, noch einige Abonnenten zu erhalten, damit es dan zusammen geht.
Louis Bleuler an Antoinette Bleuler in Berlin, Schloss-Laufen, 20. April 1836; aus: Robert Pfaff, Briefe des Landschaftsmalers Louis Bleuler in Auswahl, in: Schaffhauser Beiträge zur Geschichte, 1987, Bd. 64, S. 55–108. http://doi.org/10.5169/seals-841694
Helmut Hiller und Stephan Füssel, Kommissionsbuchhandel, in: Wörterbuch des Buches, 7. Aufl., Frankfurt am Main 2006, S. 185
Verkaufsstellen
Sobald die Herstellung einer Voyage pittoresque beendet war, wurde diese über den Buch- und Kunsthandel angeboten. Verleger hatten dafür zwei Möglichkeiten: Entweder sie verkauften die Werke in ihren eigenen Geschäften oder belieferten verschiedene Händler damit. Vom Neuenburger Verleger Jean-Frédéric d’Ostervald (1773–1850) ist bekannt, dass er sein Verlagsgeschäft auf eine internationale Kundschaft ausrichtete: Seine Voyage pittoresque aux glaciers de Chamouni (1815) liess er von den beiden beteiligten Künstler Gabriel Lory père in Bern und Gabriel Lory fils in Neuenburg verkaufen, da er keine eigene Kunsthandlung führte. Gleichzeitig war das Werk jedoch auch bei bekannten Buch- und Kunsthändlern in der Schweiz und im Ausland zu erwerben.
Ulrich Schenk, Idyllen und Ideale am Rhein: Landschaftsdarstellung von Schweizer Kleinmeistern um 1800, in: Susanne Bieri (Hrsg.), "Als regne es hier nie ... ", Bd. 1, Basel 2003, S. 76
Werbung
Damit sich ihre Werke gut verkauften, machten Verleger und Verlegerinnen aktiv Werbung für diese. Für Voyages pittoresques, die mit dem Subsktiptions-Modell finanziert wurden, legte man die Subskriptionsliste meistens der ersten Lieferung bei: So war es für die Kundschaft ersichtlich, welche bedeutenden Persönlichkeiten das Werk abonniert hatten. Ausserdem profitierten Verleger davon, wenn sie in Reiseführern erwähnt wurden: Im Reiseführer Anleitung auf die nützlichste und genussvollste Art in der Schweiz zu reisen (ab 1793 mehrfach aufgelegt) von Johann Gottfried Ebel erkundigten sich die meisten Reisenden nach den besten Verlagen und Kunsthandlungen für Souvenirbilder.
Am einfachsten wurden Verlagswerke jedoch über Tageszeitungen und Kunstzeitschriften beworben: Der Verlag Orell Füssli und Comp. machte so auf die Voyages pittoresques von Johann Jakob Wetzel in der Neuen Zürcher Zeitung aufmerksam.
Neuauflagen
Nach dem Abschluss einer Voyage pittoresque wanderten die Druckplatten ins Lager der Verleger und Verlegerinnen. Wenn das Werk erfolgreich gewesen war, wurden die Werke manchmal neu aufgelegt: Dabei konnten im Vergleich zur ersten Auflage Korrekturen und Ergänzungen vorgenommen werden. Die Verlagswerke waren jedoch auch Handelsware: So kam es vor, dass Verleger die Druckplatten eines Werks an einen anderen Verlag weiterverkauften. Dies geschah mit der Voyage pittoresque mit dem Titel Vierzehn Aussichten im Oberlande jenseits Thun gewählt. Mit ihren kurzen historisch-topographischen Beschreibungen: Das ursprünglich von Balthasar Anton Dunker und Samuel Weibel 1793/1796 publizierte Werk wurde 1812 von der international tätigen Verlagsbuchhandlung Treuttel & Würtz in Paris neu aufgelegt. Dafür wurde ein neuer Begleittext angefertigt, die originalen Druckplatten für die Ansichten wurden jedoch beibehalten. Gleichwohl wurden diese Platten überarbeitet - erkennst du, welche Stellen angepasst wurden?